Auch im Kleinbetrieb kann eine altersdiskriminierende Kündigung unwirksam sein

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Mit Urteil vom 23.07.2015 (6 AZR 457/14) hat das Bundesarbeitsgericht eine Entscheidung getroffen, dass auch in einem Kleinbetrieb eine Kündigung unwirksam sein kann, wenn sie altersdiskriminierend vorgenommen worden ist.

Dabei hatte das BAG folgenden Fall zu entscheiden:

Die im Januar 1950 geborene Klägerin war bei der beklagten Gemeinschaftspraxis seit dem 16. Dezember 1991 als Arzthelferin beschäftigt. In der Praxis waren im Jahr 2013 noch vier jüngere Arbeitnehmerinnen tätig. Die Klägerin war zuletzt überwiegend im Labor eingesetzt. Die Gesellschafter der Beklagten kündigten ihr Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 24. Mai 2013 zum 31. Dezember 2013.

Im Kündigungsschreiben heißt es wie folgt:

„Liebe …, seit über 20 Jahren gehen wir nun beruflich gemeinsame Wege. Wir haben in dieser Zeit viel erlebt, auch manche Veränderung. Inzwischen bist Du pensionsberechtigt und auch für uns beginnt ein neuer Lebensabschnitt in der Praxis. Im kommenden Jahr kommen große Veränderungen im Laborbereich auf uns zu. Dies erfordert eine Umstrukturierung unserer Praxis. Wir kündigen deshalb das zwischen uns bestehende Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der vertraglichen Frist zum 31.12.2013.“

Den anderen Beschäftigten wurde nicht gekündigt. Mit ihrer Klage wendet sich die Klägerin gegen die Wirksamkeit der Kündigung und verlangt eine Entschädigung wegen Altersdiskriminierung. Das Kündigungsschreiben lasse eine Benachteiligung wegen ihres Alters vermuten. Nach Darstellung der Beklagten sollte die Kündigung lediglich freundlich und verbindlich formuliert werden. Die Kündigung sei wegen eines zu erwartenden Entfalls von 70 bis 80 % der abrechenbaren Laborleistungen erfolgt. Die Klägerin sei mit den übrigen Arzthelferinnen nicht vergleichbar, weil sie schlechter qualifiziert sei. Deshalb sei ihr gekündigt worden.

Das Bundesarbeitsgericht gab der Klage der Klägerin statt und begründete dies folgendermaßen:

„Die Kündigung verstößt gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG und ist deshalb unwirksam. Die Beklagte hat keinen ausreichenden Beweis dafür angeboten, dass die wegen der Erwähnung der „Pensionsberechtigung“ zu vermutende Altersdiskriminierung nicht vorliegt.“

Der entschiedene Fall zeigt sehr deutlich, dass auch bei Nichtanwendbarkeit des KSchG aufgrund der Kleinbetriebsklausel (nicht mehr als 10 Arbeitnehmer im Betrieb), das AGG anwendbar ist. Dies bedeutet, dass dann, wenn der Arbeitgeber Indizien darlegt, die die Kündigung als diskriminierend im Sinne von § 1, 7 AGG vermuten lassen, es Aufgabe des Arbeitgebers ist, darzulegen und zu beweisen, dass das Diskriminierungsmerkmal (hier: Alter) keinerlei Rolle für die Entscheidung gespielt hat.

Der Vermerk auf dem Kündigungsschreiben („inzwischen pensionsberechtigt“) führt nach Auffassung des BAG zu einer Indizwirkung einer Benachteiligung wegen des Alters und dazu, dass die Kündigung nicht gerechtfertigt ist. Hätte der Arbeitgeber im Fall den Vermerk der Pensionsberechtigung nicht aufgenommen, hätte die Klägerin große Schwierigkeiten gehabt, Indizien für eine Benachteiligung (§ 22 AGG) zu beweisen.

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