Sonderzahlungen mit Stichtagsklausel
Immer wieder stellt sich die Frage, ob der Arbeitgeber Sonderzahlungen an die Voraussetzung knüpfen kann, dass der Arbeitnehmer zu einem bestimmten Zeitpunkt noch im ungekündigten Arbeitsverhältnis steht.
Diese Fragestellung ist danach zu klären, welchen Zweck der Arbeitgeber mit der Sonderzahlung verfolgt. Dabei kommen folgende Zielsetzungen in Betracht:
- Belohnung für vergangene Betriebstreue (zum Fälligkeitszeitpunkt der Sonderzahlung muss das Arbeitsverhältnis bestehen)
- Belohnung zukünftiger Betriebstreue (zum Fälligkeitszeitpunkt muss das Arbeitsverhältnis sogar ungekündigt bestehen)
- Belohnung für erbrachte Arbeitsleistung (Prämie/Tantieme nach Zielerreichung bzw. Kürzung der Sonderzahlung für Monate, in denen keine Arbeitsleistung erbracht worden ist).
Hierzu hat das BAG in den letzten vier Jahren zahlreiche Entscheidungen getroffen:
1. Urteil des BAG vom 12.04.2011, 1 AZR 412/09
In einer Betriebsvereinbarung haben Betriebsrat und Arbeitgeber die Regelung getroffen, dass der Arbeitnehmer, sofern er bestimmte Ziele erreicht, Anspruch auf einen Bonus/Prämie hat. Bemessungszeitraum ist das Kalenderjahr. Die Prämie wird jedoch erst am 30.04 des Folgejahres ausgezahlt, sofern zu diesem Zeitpunkt das Arbeitsverhältnis noch besteht. Der Arbeitnehmer X der im Jahr 2009 durch Leistung eine Prämie in Höhe von 8.500,00 EUR verdient hatte, scheidet aufgrund Eigenkündigung zum 31.01.2010 aus. Der Arbeitgeber Y verweigert ihm nunmehr die Zahlung der Prämie in Höhe von 8.500,00 EUR, die am 30.04.2010 zur Zahlung fällig ist, mit der Begründung, dass das Arbeitsverhältnis zum Fälligkeitszeitpunkt nicht mehr bestanden hat.
Hierzu führt das Bundesarbeitsgericht Folgendes aus:
Vergütungsbestandteile, die vom Erreichen persönlicher Ziele und dem Unternehmenserfolg abhängen, sind keine stichtagsbezogenen Sonderzuwendungen des Arbeitgebers, sondern eine unmittelbare Gegenleistung für eine vom Arbeitnehmer zu erbringende Leistung. Entstandene Ansprüche auf Arbeitsentgelt für eine bereits erbrachte Arbeitsleistung können daher nicht unter die auflösende Bedingung des Bestehens eines ungekündigten Arbeitsverhältnisses zu einem Stichtag nach Ablauf des Leistungszeitraums gestellt werden. Eine solche Stichtagsklausel bewirkt, dass der Arbeitgeber entgegen § 611 BGB keine Vergütung für eine nach Maßgabe der Zielvereinbarung geleisteten Dienste erbringen müsste. Dies stellt einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Berufsfreiheit des Arbeitnehmers dar, wenn diesem eine bereits verdiente Arbeitsvergütung entzogen wird.
2. Urteil des BAG vom 18.01.2012, 10 AZR 612/10
Knüpft der Arbeitgeber bei der Bemessung der Höhe einer Sonderzahlung an die erbrachte Arbeitsleistung im Bezugsjahr an, so ist die Zahlung zumindest teilweise Vergütung für geleistete Arbeit. Die Bestimmungen im Arbeitsvertrag, nach denen eine solche Sonderzahlung vom ungekündigten Bestand des Arbeitsverhältnisses zu einem Zeitpunkt außerhalb des Bezugszeitraums, in dem die Arbeitsleistung erbracht wurde, abhängen soll, entzieht dem Arbeitnehmer bereits erarbeiteten Lohn und erschwert unzulässig die Ausübung des Kündigungsrechts.
3. Urteil des BAG vom 13.11.2013, 10 AZR 848/12
In diesem Fall erhielt der Kläger jährlich eine als Weihnachtsgratifikation bezeichnete Sonderzahlung in Höhe des jeweiligen Novemberentgelts. In einem Schreiben des Arbeitgebers im Jahr 2010 wurde festgestellt, dass die Zahlung an Arbeitnehmer erfolge, die sich am 31.12.2010 in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis befinden. Arbeitnehmer sollten für jeden Kalendermonat mit einer bezahlten Arbeitsleistung 1/12 des Bruttomonatsgehalts erhalten. Im Laufe des Jahres eintretende Arbeitnehmer erhielten die Sonderzahlung anteilig.
Das Arbeitsverhältnis des Klägers/Arbeitnehmers endete aufgrund seiner Kündigung auf den 30.09.2010. Mit seiner Klage begehrte der Arbeitnehmer die anteilige 9/12 Zahlung der Sonderleistung.
In diesem Fall wurde vom BAG festgestellt, dass es sich um eine Gratifikation mit Mischcharakter handele, wodurch vergangene Arbeitsleistung und zukünftige Betriebstreue belohnt werden soll. Weiter führte das BAG aus, dass eine Klausel, nach der die Gewährung einer Jahressonderzahlung, die auch Entgelt für geleistete Arbeit ist, den ungekündigten Bestand des Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2015 des Bezugsjahres voraussetzt, schon deshalb als unwirksam anzusehen ist, weil sie eine Bindung des Arbeitnehmer an das Unternehmen bis in das Folgejahr hinaus bewirkt.
4. Urteil des BAG vom 22.07.2014, 9 AZR 981/712
In diesem Fall stritten die Parteien über Urlaubsgeld. Die Klägerin war vom 01.10.1994 bis zum 30.09.2011 bei der Beklagten beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch Kündigung der Beklagten vom 22.03.2011. Zur Bestimmung des Arbeitsvertrages hatte die Klägerin ein Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen.
In § 6 des Arbeitsvertrages war zum Urlaubsgeld Folgendes geregelt:
„Weiterhin erhält der Mitarbeiter pro genommenen Urlaubstag ein Urlaubsgeld von 2,4 % des monatlichen Bruttogeldes. Das Urlaubsgeld wird am Monatsende ausgezahlt. Voraussetzung für die Auszahlung des Urlaubsgeldes ist ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis.“
Die Klägerin nahm den Urlaub nach Zugang der Kündigung und verlangte nunmehr die Zahlung von Urlaubsgeld.
In dieser Entscheidung führte das BAG aus, dass der Anspruchsausschluss im Arbeitsverhältnis für gekündigte Arbeitsverhältnisse wirksam ist. Dem Arbeitgeber ist es nicht grundsätzlich versagt, Sonderzahlungen mit Bindungsklauseln zu versehen, solange die Zahlungen nicht auch Gegenleistung für schon erbrachte Arbeit sind.
Dies gelte sowohl für Klauseln, in dem sich der Arbeitnehmer verpflichtet, erfolgte Sonderzahlungen zurückzuerstatten, wenn er vor einem bestimmten Zeitpunkt das Arbeitsverhältnis von sich aus kündigt, als auch für Regelungen, nach denen die Leistung der Sonderzahlung voraussetzt, dass der Arbeitnehmer zu einem bestimmten Zeitpunkt noch im ungekündigten Arbeitsverhältnis steht. Der Arbeitgeber hat die Möglichkeit durch die Vereinbarung von Sonderzahlungen, die der Honorierung von Betriebstreue dienen, dem Arbeitnehmer deutlich zu machen, welchen Wert das Verbleiben im Arbeitsverhältnis für ihn darstellt. Im vorliegenden Fall handelt es sich um eine .Sonderzahlung als Belohnung für zukünftige Betriebstreue. Da diese Zahlung nicht von einer bestimmten Arbeitsleistung, sondern regelmäßig nur vom Bestand des Arbeitsverhältnisses abhing, wurde die Klausel vom Bundesarbeitsgericht für zulässig erklärt und der Anspruch auf eine Sonderzahlung abgelehnt.
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