Kindersitz als zu übernehmendes Hilfsmittel in der privaten Krankenversicherung

,

Der schwerbehinderte Sohn der Versicherungsnehmerin der privaten Krankenversicherung leidet unter einen schweren Fehlbildung des Gehirnes mit der Folge einer sympthomatischen Fehlentwicklung und Epilepsie und einer tiefgreifenden geistigen Behinderung. Aus dieser geht eine den gesamten Körper umfassende Hypotonie hervor. Das Kind kann keine kontrollierte Muskelspannung im Körper und Gliedmaßen einstellen.
Die Eltern des Kindes hatten aufgrund des Wachstums des Kindes einen neuen Autokindersitz anzuschaffen. Aufgrund der Epilepsie mit erheblicher Entwicklungsstörungen ist dem Kind ein freies Sitzen im Fahrzeug nicht möglich. Das Kind kann aufgrund seiner Behinderungen selbst keine willkürlich gesteuerte Körperhaltung oder Körperkorrektur vornehmen. Die Hypotonie des Kindes erfordert eine individuelle passgenaue Anfertigung von Teilen des Sitzes, der Rücklehne, der Sitzneigung/Keil. Hierdurch werden Fehlhaltungen, Schmerzen und Kontrakturen durch auf das Kind während der Fahrt einwirkende Kräfte vorgebeugt. Dem Kind selbst ist ein Sitzen ohne entsprechende Stützen nicht möglich.

Die Klägerin unterhält bei einem Versicherungsunternehmen eine private Krankenversicherung, in den Versicherungsbedingungen ist die Übernahme von Hilfsmitteln wie folgt geregelt:

Als Hilfsmittel geltend Hörgeräte und Sprechgeräte, Krankenfahrstühle bis zu einen Rechnungsbetrag von 2.000,00 EUR, Bandagen, Geh- und Stützapparate, Kunstgleider, ferner die aus medizinischen Fachgeschäften bezogenen Bruchbänder, Leibbinden, Gummistrümpfe, orthopädischen Schuhe und Einlagen.“

Für das Kind musste ein orthopädischer Autositz in entsprechender behindertengerechten Ausführung mit Kosten von über 2.000,00 EUR angeschafft werden.

Die Versicherungsnehmerin reichte die Anschaffungsrechnung bei ihrer privaten Krankenversicherung ein und verwies darauf, dass es sich bei dem Kindersitz um ein orthopädisches Hilfsmittel, vergleichend mit einem Stützapparat handelt.

Die Krankenversicherung verweigerte eine Kostenübernahme und begründete dies damit, dass ein Autokindersitz kein Hilfsmittel sei, da dieser in der Regel das Ziel habe, Haltungsschäden vorzubeugen bzw. eine korrekte Sitzhaltung zu ermöglichen und das korrigierte Sitzen zu trainieren. Nach Ansicht der privaten Krankenversicherung handelt es sich bei einem Kindersitz, egal in welcher Ausführung, um eine reine Sitzhilfe.

Nach der Ablehnung durch die private Krankenversicherung reichte die Klägerin Klage zum zuständigen Amtsgericht ein und begründete ihren Anspruch damit, dass ein Transport des Kindes in einem Fahrzeug ohne speziellen behindertengerechten Kindersitz mit behindertengerechten Stützvorrichtungen bereits nicht möglich ist.

Bei dem Kindersitz würde es sich um einen Stützapparat entsprechend der Versicherungsbedingungen handeln. Der versicherte behinderte Sohn benötigt den Autokindersitz nicht als Sitzhilfe, wie z. B. einen Stuhl, sondern ausschließlich zur Fixierung und zur Stützung des Körpers. Ohne entsprechende orthopädische Sitzeinrichtung könne das Kind nicht selbstständig sitzen. Somit stellt der Kindersitz in dieser Krankheitssituation eine medizinisch notwendige Sitzorthese dar, die den Erkrankten erst das Sitzen in einem Auto ermöglicht. Durch den Einsatz des Kindersitzes werden die körperlichen Defizite ausgeglichen und körperliche Fähigkeiten kompensiert. Stützapparate seien nicht abschließend Korsetts, Prothesen und Schienen, sondern auch sonstige notwendige Apparaturen und Einrichtungen, die durch die Stützung des Körpers dem Kranken erst das einnehmen einer sitzenden Haltung ermöglichen.

Bevor das angerufene Amtsgericht eine Entscheidung in diesem Fall treffen konnte, lenkte der Krankenversicherer ein und beglich zur Klaglosstellung die klageweise geltend gemachten Beträge, um die Gefahr einer negativen Entscheidung gegen ihn zu vermeiden.

Es bleibt auch in diesem Fall festzuhalten, dass es angezeigt ist, eine ablehnende Entscheidung eines privaten Krankenversicherers überprüfen zu lassen.

Die Versicherungsbedingungen lassen oftmals genügend Spielraum zu. Gerade in Sonderfällen, wie den oben geschilderten, meiden Versicherer oftmals eine rechtliche Auseinandersetzung, um keine Entscheidung gegen sich zu erhalten, die weitere Folgeverfahren nach sich ziehen könnte.

Rechtsanwalt B. Zager

0 Kommentare

Dein Kommentar

An Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns Deinen Kommentar!

Schreiben Sie einen Kommentar