Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 16.07.2015 (2 AZR 85/15) entschieden, dass eine fristlose Kündigung eines Arbeitsverhältnisses dann begründet sein kann, wenn ein Arbeitnehmer privat beschaffte Bild- oder Tonträger während der Arbeitszeit unter Verwendung seines dienstlichen Computers unbefugt und zum eigenen oder kollegialen Gebrauch auf dienstliche DVD/CD-Rohlinge kopiert. Dies gilt unabhängig davon, ob darin zugleich ein Verstoß gegen das Urheberrechtsgesetz liegt.

Im zu entscheidenden Fall war der Kläger seit 1992 beim beklagten Land als „IT-Verantwortlicher“ beschäftigt. Zu seinen Aufgaben gehörte unter anderem die Verwaltung des „ADV-Depots“. Mit ihr war die Bestellung des für die Datenverarbeitung benötigten Zubehörs – etwa von Datensicherungsbändern, CDs und DVDs – verbunden. Anfang März 2013 räumte der Leiter der Wachtmeisterei in einem Personalgespräch ein, den dienstlichen Farbdrucker seit längerer Zeit zur Herstellung sogenannte „CD-Cover“ genutzt zu haben. Bei einer Mitte März 2013 erfolgten Geschäftsprüfung wurden auf den Festplatten eines vom Kläger genutz-ten Rechners mehr als 6.400 E-Book-, Bild-, Audio- und Videodateien vorgefunden. Zudem war ein Programm installiert, das geeignet war, den Kopierschutz der Hersteller zu umgehen. Es stellte sich heraus, dass in der Zeit von Oktober 2010 bis März 2013 über 1.100 DVDs bearbeitet worden waren. Im gleichen Zeitraum waren etwa gleich viele DVD-Rohlinge von Seiten des Gerichts bestellt und geliefert worden.

Bei näherer Untersuchung und Auswertung der vom Kläger benutzten Festplatten wurden Anfang April 2013 weitere (Audio-)Dateien aufgefunden. Der Kläger erklärte zunächst, alles, was auf dem Rechner bezüglich der DVDs sei, habe er „gemacht“. Er habe für andere Mitar-beiter „natürlich auch kopiert“. Die Äußerungen nahm er einige Tage später „ausdrücklich zurück“. Der Arbeitgeber kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich.

Nach Auffassung des BAG kommt eine fristlose Kündigung auch dann in Betracht, wenn der Kläger nicht alle fraglichen Handlungen selbst vorgenommen, dabei mit anderen Bediensteten zusammengewirkt oder das Herstellen von „Raubkopien“ durch diese bewusst ermöglicht hat.

Aus dem Umstand, dass es ihm unter Umständen erlaubt war, seinen dienstlichen Rechner für bestimmte andere private Zwecke zu nutzen, konnte er nicht schließen, ihm seien die be-haupteten Kopier- und Brennvorgänge gestattet.

Die fristlose Kündigung ist ebenso wenig deshalb unwirksam, weil der Arbeitgeber Ermittlungen zunächst selbst angestellt und nicht sofort die Strafverfolgungsbehörden eingeschaltet hat. Solange der Arbeitgeber die Ermittlungen zügig durchführt, läuft die 2-wöchige Kündigungserklärungsfrist des § 626 Absatz 2 BGB nicht an.

Der Gleichbehandlungsgrundsatz findet im Rahmen verhaltensbedingter Kündigungen grundsätzlich keine Anwendung. Dementsprechend ist es nicht entscheidend, welche Maßnahmen der Arbeitgeber gegenüber den anderen Bediensteten ergriffen hat.

In seiner Entscheidung stellt das BAG entsprechend seiner bisherigen Rechtsprechung wiederum klar, dass Arbeitnehmer verpflichtet sind, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen und zu arbeiten. Wird im erheblichen Ausmaß gegen diese Verpflichtung verstoßen indem im erheblichen Umfang private Dinge während der – bezahlten – Arbeitszeit erledigt werden, kann dies auch eine fristlose Kündigung sogar ohne vorherige Abmahnung rechtfertigen. Denn dem Arbeitnehmer ist bewusst, dass ein solches Verhalten vom Arbeitgeber nicht gebilligt wird.

Die exzessive private Nutzung überlassener Betriebsmittel durch den Arbeitnehmer ist grund-sätzlich verboten, es sei denn, der Arbeitgeber hat sie erlaubt. Selbst wenn eine „gewisse“ Privatnutzung der technischen Einrichtungen durch den Kläger erlaubt gewesen sein sollte, wird von der Erlaubnis nicht erfasst, dass verbotene Raubkopien und erst recht nicht das private Beschreiben dienstlich angeschaffter Datenträger durchgeführt werden.

Dabei ist es nicht nötig, dass dem gekündigten Arbeitnehmer ein konkreter Tatbeitrag nachgewiesen wird. Es reicht aus, dass der Arbeitnehmer ein Fehlverhalten anderer Arbeitnehmer unterstützt und letztendlich ermöglicht hat.

Der Gleichbehandlungsgrundsatz gilt im Bereich der verhaltensbedingten Kündigung gerade nicht. Selbst wenn bei anderen Mitarbeitern ebenfalls Fehlverhalten festgestellt worden wäre, wäre der Arbeitgeber nicht verpflichtet, alle gleich zu behandeln.

Der Arbeitgeber kann eine fristlose Kündigung nur binnen einer Frist von 2 Wochen nach Kenntnis des kündigungsrelevanten Sachverhaltes erklären. Die Frist beginnt jedoch erst dann zu laufen, wenn eine kündigungsberechtigte Person Kenntnis vom Sachverhalt hat. Solange noch – zügig – ermittelt wird, beginnt die Frist nicht zu laufen. Ermittlungen können auch intern stattfinden.

Mit Urteil vom 23.07.2015 (6 AZR 457/14) hat das Bundesarbeitsgericht eine Entscheidung getroffen, dass auch in einem Kleinbetrieb eine Kündigung unwirksam sein kann, wenn sie altersdiskriminierend vorgenommen worden ist.

Dabei hatte das BAG folgenden Fall zu entscheiden:

Die im Januar 1950 geborene Klägerin war bei der beklagten Gemeinschaftspraxis seit dem 16. Dezember 1991 als Arzthelferin beschäftigt. In der Praxis waren im Jahr 2013 noch vier jüngere Arbeitnehmerinnen tätig. Die Klägerin war zuletzt überwiegend im Labor eingesetzt. Die Gesellschafter der Beklagten kündigten ihr Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 24. Mai 2013 zum 31. Dezember 2013.

Im Kündigungsschreiben heißt es wie folgt:

„Liebe …, seit über 20 Jahren gehen wir nun beruflich gemeinsame Wege. Wir haben in dieser Zeit viel erlebt, auch manche Veränderung. Inzwischen bist Du pensionsberechtigt und auch für uns beginnt ein neuer Lebensabschnitt in der Praxis. Im kommenden Jahr kommen große Veränderungen im Laborbereich auf uns zu. Dies erfordert eine Umstrukturierung unserer Praxis. Wir kündigen deshalb das zwischen uns bestehende Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der vertraglichen Frist zum 31.12.2013.“

Den anderen Beschäftigten wurde nicht gekündigt. Mit ihrer Klage wendet sich die Klägerin gegen die Wirksamkeit der Kündigung und verlangt eine Entschädigung wegen Altersdiskriminierung. Das Kündigungsschreiben lasse eine Benachteiligung wegen ihres Alters vermuten. Nach Darstellung der Beklagten sollte die Kündigung lediglich freundlich und verbindlich formuliert werden. Die Kündigung sei wegen eines zu erwartenden Entfalls von 70 bis 80 % der abrechenbaren Laborleistungen erfolgt. Die Klägerin sei mit den übrigen Arzthelferinnen nicht vergleichbar, weil sie schlechter qualifiziert sei. Deshalb sei ihr gekündigt worden.

Das Bundesarbeitsgericht gab der Klage der Klägerin statt und begründete dies folgendermaßen:

„Die Kündigung verstößt gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG und ist deshalb unwirksam. Die Beklagte hat keinen ausreichenden Beweis dafür angeboten, dass die wegen der Erwähnung der „Pensionsberechtigung“ zu vermutende Altersdiskriminierung nicht vorliegt.“

Der entschiedene Fall zeigt sehr deutlich, dass auch bei Nichtanwendbarkeit des KSchG aufgrund der Kleinbetriebsklausel (nicht mehr als 10 Arbeitnehmer im Betrieb), das AGG anwendbar ist. Dies bedeutet, dass dann, wenn der Arbeitgeber Indizien darlegt, die die Kündigung als diskriminierend im Sinne von § 1, 7 AGG vermuten lassen, es Aufgabe des Arbeitgebers ist, darzulegen und zu beweisen, dass das Diskriminierungsmerkmal (hier: Alter) keinerlei Rolle für die Entscheidung gespielt hat.

Der Vermerk auf dem Kündigungsschreiben („inzwischen pensionsberechtigt“) führt nach Auffassung des BAG zu einer Indizwirkung einer Benachteiligung wegen des Alters und dazu, dass die Kündigung nicht gerechtfertigt ist. Hätte der Arbeitgeber im Fall den Vermerk der Pensionsberechtigung nicht aufgenommen, hätte die Klägerin große Schwierigkeiten gehabt, Indizien für eine Benachteiligung (§ 22 AGG) zu beweisen.

Nach einer Entscheidung des LAG Hamm (Beschluss vom 17.02.2015 7 Ta BVGa 1/15) hat der Betriebsrat im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens bei bereits durchgeführten Betriebsänderungen keinen Unterlassungsanspruch.

Im Fall, den das LAG Hamm zu entscheiden hatte, verlangte der Betriebsrat vom Arbeitgeber im Wege der einstweiligen Verfügung die Unterlassung der weiteren Durchführung der Betriebsänderung bis zum Versuch eines Interessenausgleichs. Die Betriebsänderung war aber mit der tatsächlich erfolgten Abspaltung eines Betriebsteils durch die Übertragung der Leitungsmacht auf ein anderen Unternehmen bereits abschließend vollzogen. Der in Anspruch genommene Arbeitgeber hatte keinerlei Einfluss mehr auf die Organisation der Arbeit, weder durch Ausübung des Direktionsrechts noch durch Einfluss auf die Nutzung der Maschinen.

Zwar hat der Betriebsrat zur Sicherung des Verhandlungsanspruchs des Betriebsrats über einen Interessenausgleich einen Unterlassungsanspruch, da ansonsten die Rechte des Betriebsrats im Verfahren zur Herbeiführung des Interessenausgleichs gem. § 112 BetrVG leerlaufen würden. Der Unterlassungsanspruch richtet sich aber nicht gegen die Betriebsänderung als solche, sondern dient lediglich der Sicherung des Verhandlungsanspruchs. Somit entfällt der Unterlassungsanspruch dann, wenn die Betriebsänderung – wie im vorliegenden Fall – nicht mehr beabsichtigt, sondern bereits durchgeführt ist. Dann ist nichts mehr zu verhandeln. Es muss also nichts mehr gesichert werden. Ein Interessenausgleich ist auch nicht nachholbar.

Für die Frage, ob in einem Betrieb bei Kündigungen der Schwellenwert für eine anzeigepflichtige Massenentlassung entsprechend § 17 KSchG überschritten wird, können auch Geschäftsführer und Praktikanten zu berücksichtigen sein. Dabei ist es unerheblich, ob diese nach nationalem Recht als Arbeitnehmer gelten, da der Arbeitnehmerbegriff innerhalb der Unionsrechtsordnung autonom und einheitlich ausgelegt werden muss. Dies hat der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 09.07.2015 (Rechtssache C 229/14) ausdrücklich klargestellt.

In dem entschiedenen Fall war der Kläger seit 2011 als Techniker für die Beklagte GmbH beschäftigt, die zusammen mit ihm mindestens 19 Arbeitnehmer beschäftigte. Zum 15.2.2013 kündigte die Beklagte sämtliche Arbeitsverhältnisse betriebsbedingt wegen Einstellung des Geschäftsbetriebs. Der Kläger meint, dies sei wegen unterbliebener Massenentlassungsan-zeige unwirksam. Der Schwellenwert des § 17 Abs. 1 Nr. 1 KSchG von 20 Arbeitnehmern würde überschritten, weil insoweit auch der angestellte Geschäftsführer L. der Beklagten und die Praktikantin S. (Umschülerin zur Bürokauffrau) zu berücksichtigen seien.

Das Arbeitsgericht Verden setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH die Fragen zur Vorabentscheidung vor, ob Geschäftsführer und Praktikanten Arbeitnehmer im Sinne der Massenentlassungsrichtlinie sind. Der EuGH hat dies ausdrücklich bejaht.

Nach der Rechtsprechung des EuGH ist der Begriff des „Arbeitnehmers“ anhand objektiver Kriterien zu definieren. Maßgeblich ist, ob eine Person während einer bestimmten Zeit für eine andere nach deren Weisung Leistungen erbringt, für die sie als Gegenleistung eine Vergütung erhält.

Danach können Geschäftsführer Arbeitnehmer im Sinne des Richtlinie sein, sofern ein Un-terordnungsverhältnis besteht, der Geschäftsführer jederzeit gegen seinen Willen abberufen werden kann, er bei der Ausübung seiner Tätigkeit der Weisung und Aufsicht des Organs und weiteren Vorgaben und Beschränkungen unterliegt und er keine Anteile an der Gesellschaft besitzt.

Auch Praktikanten sind Arbeitnehmer im Sinne dieser Richtlinie, da der zugrunde liegende Arbeitnehmerbegriff zum Schutz vor Massenentlassungen weit auszulegen ist.

Die Entscheidung des EuGH hat zur Folge, dass die ausgesprochene arbeitgeberseitige Kün-digung wegen Verstoß gegen § 17 KSchG für unwirksam erklärt worden ist, da der Arbeitge-ber aufgrund des Überschreitens des Schwellenwerts von 20 Arbeitnehmern im Sinne der Massenentlassungsrichtlinie vor Ausspruch der Kündigung eine Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit hätte durchführen müssen.

Dies hat das LAG Hamm im Urteil vom 21.04.2015 (14 Sa 1249/14) ausdrücklich klargestellt.

Im zu entscheidenden Fall war der Kläger von 2008 bis März 2015 bei der Beklagten als Steuerfachgehilfe beschäftigt. Er erhielt ein Grundgehalt und war daneben zu 30 % an den gegenüber dem Mandanten der Beklagten abgerechneten Leistungen beteiligt. Der Provisionsanteil betrug rund 2/3 der Gesamtvergütung. Der Kläger begehrt weitere Provisionszahlungen. Die Beklagte verweigert dies und behauptet, es sei vereinbart gewesen, dass der Kläger nur am erledigten, abgerechneten und bezahlten Umsatz zu beteiligen sei.
Nach Auffassung des LAG Hamm kommt es nicht darauf an, ob die Parteien tatsächlich vereinbart haben, dass der Kläger nur an von dem Mandanten tatsächlich gezahlten Umsätzen aus einer Tätigkeit beteiligt werden sollte. Denn eine solche Vereinbarung wäre sittenwidrig und nichtig.

Vergütungsvereinbarungen sind sittenwidrig, wenn der Arbeitnehmer mit dem Betriebs- oder Wirtschaftsrisiko des Arbeitgebers belastet wird. Denn der Lohnanspruch des Arbeitnehmers richtet sich gegen den Arbeitgeber und darf nicht von Umständen abhängig gemacht werden, auf die der Arbeitnehmer keinen Einfluss hat. Eine Beteiligung des Arbeitnehmers an dem Betriebs- und Wirtschaftsrisiko des Arbeitgebers ohne angemessenen Ausgleich ist unzulässig

Mit Urteil vom 19.05.2015 (9 AZR 725/13) hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass der Arbeitgeber den Erholungsurlaub wegen Elternzeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr kürzen kann. Die Regelungen in § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG, wonach der Arbeitgeber den Erholungsurlaub, der dem Arbeitnehmer oder der Arbeitnehmerin für das Urlaubjahr zusteht, für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um 1/12 kürzen kann, setzt voraus, dass der Anspruch auf Erholungsurlaub noch besteht. Daran fehlt es, wenn das Arbeitsverhältnis beendet ist und der Arbeitnehmer ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung hat.

Nach einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg (Urteil vom 06.05.2015, 4 Sa 94/14) liegt in der Kündigung des Arbeitgebers noch in der Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG nicht zum erstmöglichen Termin nach der Wartezeit, sondern mit einer längeren Kündigungsfrist keine unzulässige Umgehung des Kündigungsschutzes, wenn dem Arbeitnehmer mit der verlängerten Kündigungsfrist eine weitere Bewährungschance eingeräumt werden soll.

Immer wieder stellt sich die Frage, ob der Arbeitgeber Sonderzahlungen an die Voraussetzung knüpfen kann, dass der Arbeitnehmer zu einem be­stimm­ten Zeitpunkt noch im ungekündigten Arbeitsverhältnis steht.

Diese Fragestellung ist danach zu klären, welchen Zweck der Ar­beit­ge­ber mit der Sonderzahlung verfolgt. Dabei kommen folgende Ziel­set­zun­gen in Betracht:

  • Belohnung für vergangene Betriebstreue (zum Fälligkeitszeitpunkt der Sonderzahlung muss das Arbeitsverhältnis bestehen)
  • Belohnung zukünftiger Betriebstreue (zum Fälligkeitszeitpunkt muss das Arbeitsverhältnis sogar ungekündigt bestehen)
  • Belohnung für erbrachte Arbeitsleistung (Prämie/Tantieme nach Zielerreichung bzw. Kürzung der Sonderzahlung für Monate, in denen keine Arbeitsleistung erbracht worden ist).

Hierzu hat das BAG in den letzten vier Jahren zahlreiche Ent­schei­dun­gen getroffen:

1. Urteil des BAG vom 12.04.2011, 1 AZR 412/09

In einer Betriebsvereinbarung haben Betriebsrat und Arbeitgeber die Re­ge­lung getroffen, dass der Arbeitnehmer, sofern er bestimmte Ziele er­reicht, Anspruch auf einen Bonus/Prämie hat. Bemessungszeitraum ist das Kalenderjahr. Die Prämie wird jedoch erst am 30.04 des Fol­ge­jah­res ausgezahlt, sofern zu diesem Zeitpunkt das Arbeitsverhältnis noch besteht. Der Arbeitnehmer X der im Jahr 2009 durch Leistung ei­ne Prämie in Höhe von 8.500,00 EUR verdient hatte, scheidet aufgrund Ei­gen­kün­di­gung zum 31.01.2010 aus. Der Arbeitgeber Y verweigert ihm nun­mehr die Zahlung der Prämie in Höhe von 8.500,00 EUR, die am 30.04.2010 zur Zahlung fällig ist, mit der Begründung, dass das Ar­beits­ver­hält­nis zum Fälligkeitszeitpunkt nicht mehr bestanden hat.

Hierzu führt das Bundesarbeitsgericht Folgendes aus:

Vergütungsbestandteile, die vom Erreichen persönlicher Ziele und dem Unternehmenserfolg ab­hän­gen, sind keine stichtagsbezogenen Sonderzuwendungen des Arbeitgebers, son­dern eine unmittelbare Gegenleistung für eine vom Arbeitnehmer zu erbringende Leistung. Entstandene Ansprüche auf Arbeitsentgelt für eine bereits erbrachte Arbeitsleistung können da­her nicht unter die auflösende Bedingung des Bestehens eines ungekündigten Arbeitsverhältnisses zu einem Stichtag nach Ablauf des Leistungszeitraums gestellt werden. Eine solche Stich­tags­klau­sel bewirkt, dass der Arbeitgeber entgegen § 611 BGB keine Vergütung für ei­ne nach Maßgabe der Zielvereinbarung geleisteten Dienste erbringen müsste. Dies stellt einen un­ver­hält­nis­mä­ßi­gen Eingriff in die Berufsfreiheit des Arbeitnehmers dar, wenn diesem eine bereits ver­dien­te Arbeitsvergütung entzogen wird.

2. Urteil des BAG vom 18.01.2012, 10 AZR 612/10

Knüpft der Arbeitgeber bei der Bemessung der Höhe einer Sonderzahlung an die erbrachte Ar­beits­lei­stung im Bezugsjahr an, so ist die Zahlung zumindest teilweise Vergütung für ge­lei­ste­te Arbeit. Die Bestimmungen im Arbeitsvertrag, nach denen eine solche Sonderzahlung vom un­ge­kün­dig­ten Bestand des Arbeitsverhältnisses zu einem Zeitpunkt außerhalb des Be­zugs­zei­traums, in dem die Arbeitsleistung erbracht wurde, abhängen soll, entzieht dem Ar­beit­neh­mer bereits erarbeiteten Lohn und erschwert unzulässig die Ausübung des Kün­di­gungs­rechts.

3. Urteil des BAG vom 13.11.2013, 10 AZR 848/12

In diesem Fall erhielt der Kläger jährlich eine als Weihnachtsgratifikation bezeichnete Son­der­zah­lung in Höhe des jeweiligen Novemberentgelts. In einem Schreiben des Arbeitgebers im Jahr 2010 wurde festgestellt, dass die Zahlung an Arbeitnehmer erfolge, die sich am 31.12.2010 in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis befinden. Arbeitnehmer sollten für je­den Kalendermonat mit einer bezahlten Arbeitsleistung 1/12 des Bruttomonatsgehalts er­hal­ten. Im Laufe des Jahres eintretende Arbeitnehmer erhielten die Sonderzahlung anteilig.

Das Arbeitsverhältnis des Klägers/Arbeitnehmers endete aufgrund seiner Kündigung auf den 30.09.2010. Mit seiner Klage begehrte der Arbeitnehmer die anteilige 9/12 Zahlung der Son­der­lei­stung.

In diesem Fall wurde vom BAG festgestellt, dass es sich um eine Gratifikation mit Mischcharakter handele, wodurch vergangene Arbeitsleistung und zukünftige Betriebstreue belohnt werden soll. Weiter führte das BAG aus, dass eine Klausel, nach der die Gewährung einer Jah­res­son­der­zah­lung, die auch Entgelt für geleistete Arbeit ist, den ungekündigten Bestand des Ar­beits­ver­hält­nis­ses zum 31.12.2015 des Bezugsjahres voraussetzt, schon deshalb als unwirksam an­zu­se­hen ist, weil sie eine Bindung des Arbeitnehmer an das Unternehmen bis in das Fol­ge­jahr hinaus bewirkt.

4. Urteil des BAG vom 22.07.2014, 9 AZR 981/712

In diesem Fall stritten die Parteien über Urlaubsgeld. Die Klägerin war vom 01.10.1994 bis zum 30.09.2011 bei der Beklagten beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch Kündigung der Beklagten vom 22.03.2011. Zur Bestimmung des Arbeitsvertrages hatte die Klägerin ein Ur­laubs­an­spruch von 30 Arbeitstagen.

In § 6 des Arbeitsvertrages war zum Urlaubsgeld Fol­gen­des geregelt:

„Weiterhin erhält der Mitarbeiter pro genommenen Urlaubstag ein Urlaubsgeld von 2,4 % des monatlichen Bruttogeldes. Das Urlaubsgeld wird am Monatsende ausgezahlt. Vor­aus­set­zung für die Auszahlung des Urlaubsgeldes ist ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis.“

Die Klägerin nahm den Urlaub nach Zugang der Kündigung und verlangte nunmehr die Zah­lung von Urlaubsgeld.

In dieser Entscheidung führte das BAG aus, dass der Anspruchsausschluss im Ar­beits­ver­hält­nis für gekündigte Arbeitsverhältnisse wirksam ist. Dem Arbeitgeber ist es nicht grund­sätz­lich versagt, Sonderzahlungen mit Bindungsklauseln zu versehen, solange die Zahlungen nicht auch Gegenleistung für schon erbrachte Arbeit sind.

Dies gelte sowohl für Klauseln, in dem sich der Arbeitnehmer verpflichtet, erfolgte Sonderzahlungen zurückzuerstatten, wenn er vor einem bestimmten Zeitpunkt das Arbeitsverhältnis von sich aus kündigt, als auch für Regelungen, nach denen die Leistung der Sonderzahlung voraussetzt, dass der Ar­beit­neh­mer zu einem bestimmten Zeitpunkt noch im ungekündigten Arbeitsverhältnis steht. Der Ar­beit­ge­ber hat die Möglichkeit durch die Vereinbarung von Sonderzahlungen, die der Ho­no­rie­rung von Betriebstreue dienen, dem Arbeitnehmer deutlich zu machen, welchen Wert das Ver­blei­ben im Arbeitsverhältnis für ihn darstellt. Im vorliegenden Fall handelt es sich um eine .Son­der­zah­lung als Belohnung für zukünftige Betriebstreue. Da diese Zahlung nicht von einer be­stimm­ten Arbeitsleistung, sondern regelmäßig nur vom Bestand des Arbeitsverhältnisses ab­hing, wurde die Klausel vom Bundesarbeitsgericht für zulässig erklärt und der Anspruch auf eine Sonderzahlung abgelehnt.

Mit der Fragestellung, wann dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des § 1 II KSchG vorliegen, hat sich das Bun­des­ar­beits­ge­richt im Ur­teil vom 31.07.2014 (BAG, Urteil vom 31.07.2014, 2 AZR 422/13) noch­mals ausführlich auseinandergesetzt.

Demnach lie­gen dringende be­trieb­li­che Erfordernisse immer dann vor, wenn die Um­set­zung einer un­ter­neh­me­ri­schen (Organisations-) Entscheidung auf der be­trieb­li­chen Ebe­ne spätestens mit Ablauf der Kündigungsfrist zu einem vor­aus­sicht­lich dauerhaften Wegfall des Beschäftigungsbedarfs führt. Die­se Pro­gno­se muss schon zum Zeitpunkt des Zugangs der Kün­di­gung objektiv be­rech­tigt sein.

Es bedarf eines Grundes, der dem Kündigungsentschluss zugrunde liegt. Das kann die endgültig und vorbehaltslos getroffene Entscheidung des Ar­beit­ge­bers sein, Maßnahmen durchzuführen, die spätestens bis zum Ab­lauf der Kündigungsfrist den Verlust des Arbeitsplatzes zur Fol­ge ha­ben werden. Der Arbeitgeber genügt seiner Darlegungs- und Be­weis­last aus § 1 II 4 KSchG zunächst dadurch, dass er – zu­min­dest konkludent – behauptet, er habe seine fragliche Entscheidung schon vor Zugang der Kündigung getroffen. Wenn der Arbeitgeber dies mit Nichtwissen bestreitet, hat der Arbeitgeber nähere tatsächliche Ein­zel­hei­ten darzulegen, aus denen unmittelbar oder mittelbar geschlossen wer­den kann, er habe die entsprechende Absicht bereits zum Kün­di­gungs­zeit­punkt endgültig gehabt.

Der betreffende Entschluss des Arbeitgebers unterliegt keinem Form­zwang. Auch bei einem mehrköpfigen Entscheidungsgremium, das letzt­lich nur gemeinsam entscheiden kann, bedarf es hierzu in der Regel kei­nes förmlichen Beschlusses.

Dem Arbeitgeber ist es nicht verwehrt, Tätigkeiten, die bisher von Ar­beit­neh­mern geleistet wurden, künftig (echten) freien Mitarbeitern oder Mit­glie­dern seiner Vertretungsorgane, die keine Arbeitnehmer sind, zu übertragen.

Mit Urteil vom 18.09.2014 hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass die Verlängerung der Kündigungsfristen wegen längerer Be­triebs­zu­ge­hö­rig­keit keine mittelbare Diskriminierung darstellt. Die Ver­län­ge­rung dieser Kündigungsfristen verfolgt nach der Rechtsprechung des BAG das Ziel, länger beschäftigten und damit betriebstreuen ty­pi­scher­wei­se älteren Arbeitnehmern durch längere Kündigungsfristen einen ver­bes­ser­ten Kündigungsschutz zu gewähren. Dieses Ziel ist recht­mä­ßig im Sinne europarechtlicher Vorschriften. Eine mittelbare Dis­kri­mi­nie­rung jüngerer Arbeitnehmer wegen des Alters liegt nach der Recht­spre­chung des BAG nicht vor (BAG, Urteil vom 18.09.2014, 6 AZR 636/13).