Verkehrsunfall beim Abschleppen. Muss der Kaskoversicherer bezahlen?

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Das Oberlandesgericht München hatte im Jahre 2017 folgenden Fall zu entscheiden:

Ein Pkw-Fahrer blieb mit seinem Ferrari liegen. Um das Fahrzeug zu verbringen rief der Fahrer seinen Sohn an, der kurze Zeit später mit einem Audi S4 auftauchte um den Ferrari mit einem Seil abzuschleppen. Der Sohn des liegengebliebenen Autofahrers war 18 1/2 Jahre alt.

Während des Abschleppens bremste der schleppende Sohn zwei Mal so stark ab, dass der gezogene Ferrari auf den Audi auf fuhr und hierbei einen Totalschaden erlitt.

Der liegen gebliebene Ferrarifahrer wandte sich daher an seine Vollkaskoversicherung zur Regulierung des Schadens. Der zweimalige starke Bremsvorgang sei deshalb notwendig gewesen, weil ein entgegen kommender Motorradfahrer auf die eigene Richtungsfahrbahn geraten sei. Dieser Sachverhalt wurde vom Versicherer bestritten. Der Versicherer war der Ansicht, dass unfallursächlich ein Fahrfehler des abschleppenden Fahranfängers beim Abschleppvorgang gewesen sei.

Das Oberlandesgericht München entschied mit Urteil vom 24.03.2017 zu Gunsten des Versicherers. Das OLG München verwies hierbei auf eine Klausel in den Versicherungsbedingungen, die eine Leistungspflicht des Versicherers dann ausschließt, wenn während eines Abschleppvorganges ein Schaden verursacht wird, zu dem es allein aufgrund eines Fehlverhaltens einer beim Abschleppvorgang beteiligten Person gekommen ist.

Der Versicherer hätte zunächst darzulegen, dass eine am Abschleppvorgang beteiligte Person den Zusammenstoß verschuldet hat. Der Versicherungsnehmer hat hingegen nachzuweisen, dass die Kollision durch einen Fremden herbei geführt wurde um eine Einstandspflicht zu erreichen. In dem zur Entscheidung anstehenden Fall hatte der Ferrarifahrer zwar behauptet, dass sein ihn abschleppender Sohn so stark abgebremst habe, weil ihm ein Motorradfahrer entgegen gekommen sei. Beweisen konnte er es jedoch nicht. Weitere Umstände wie Lackspuren, Bremsspuren oder sonstige Zeichen einer Fremdbeteiligung waren nicht erkennbar.

Die Richter am Oberlandesgericht wiesen darauf hin, dass ein Abschleppvorgang ein sehr komplizierter Vorgang sei, der ständiger Aufmerksamkeit bedarf. Das gelte erst recht, wenn dabei ein Abschleppseil statt einer Stange und ein stark motorisiertes Fahrzeug verwendet werde. Es muss zum Beispiel äußerst vorsichtig Gas gegeben werden, um ein Seilreißen zu verhindern. Auch hat der Schleppende regelmäßig die Geschwindigkeit zu kontrollieren sowie darauf zu achten, dass die Spannung im Seil erhalten bleibt. Werden hier Fehler gemacht, wird also wie vorliegend zu Stark abgebremst, ist von einem unsachgemäßen Abschleppvorgang auszugehen.

Die Richter des 10. Zivilsenats am OLG München hielten eine Fremdbeteiligung an beiden Zusammenstößen für unrealistisch. Selbst wenn das erste Abbremsen durch einen Dritten hervorgerufen sein sollte, hätte es keinen Grund gegeben, kurz darauf erneut stark abzubremsen. Die zweimalige starke Bremsung zeigt viel mehr die Unerfahrenheit des Fahranfängers als schleppende Person.

Rechtsanwalt B. Zager

Fachanwalt für Versicherungsrecht

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