OLG Hamm: Eltern nicht verpflichtet, Zweitausbildung zu bezahlen

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Das Oberlandesgericht Hamm hat klargestellt, dass Eltern grundsätzlich nicht verpflichtet sind, eine weitere Berufsausbildung des Kindes zu finanzieren, wenn sie bereits eine angemessene Ausbildung finanziert haben, welche den Begabungen und Neigungen des Kindes entspricht, und das Kind in diesem erlernten Beruf nach Abschluss der Ausbildung keine Arbeitsstelle findet (OLG Hamm, Beschluss vom 27.04.2018, Az.: 7 UF 18/18).

Das Land Nordrhein-Westfalen verlangte von den Eltern einer im Jahr 1991 geborenen Tochter die Zahlung von Ausbildungsunterhalt in Höhe von rund 6.400 Euro. In Höhe dieses Betrages wurde der Tochter für ein Studium in der Zeit von Oktober 2015 bis September 2016 BAföG bewilligt. Nach dem BAföG haben Eltern dem fördernden Land derartige Zahlungen zu erstatten, wenn sie für die geförderte Ausbildung Unterhalt schulden.

Die Tochter hatte sich bereits in der Schulzeit entschieden, Bühnentänzerin zu werden. Sie verließ deswegen nach der mittleren Reife die Schule und absolvierte dann an einer Hochschule den Studiengang Tanz absolviert. Das Studium konnte sie 2011 mit dem Tanzdiplom abschließen. In der Folgezeit gelang es der Tochter allerdings nicht, eine Anstellung als Tänzerin zu erhalten. Deswegen besuchte sie 2012/13 wieder die Schule, erwarb die allgemeine Hochschulreife und begann 2015/16 Psychologie zu studieren. Für dieses Studium erhielt sie die BAföG-Leistungen.

Nach Auffassung des OLG Hamm schuldeten Eltern ihrem Kind grundsätzlich eine Berufsausbildung, die der Begabung und den Fähigkeiten, dem Leistungswillen und den beachtenswerten Neigungen des Kindes am besten entspreche und sich in den Grenzen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Eltern halte. Hätten Eltern ihrem Kind eine solche erste Berufsausbildung gewährt, seien sie grundsätzlich nicht mehr verpflichtet, die Kosten einer weiteren Ausbildung zu tragen. Ausnahmen hiervon seien nur unter besonderen Umständen gegeben, etwa dann, wenn der Beruf aus gesundheitlichen oder sonstigen, bei Ausbildungsbeginn nicht vorhersehbaren Gründen nicht ausgeübt werden könne. Ferner komme eine fortdauernde Unterhaltspflicht in Betracht, wenn die weitere Ausbildung als eine im engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Erstausbildung stehende Weiterbildung anzusehen und von vornherein angestrebt gewesen sei oder wenn während der ersten Ausbildung eine besondere, die Weiterbildung erfordernde Begabung deutlich werde.

Im zu entscheidenden Fall hatten die Eltern ihrer Tochter bereits die Erstausbildung zur Bühnentänzerin finanziert. Die Tochter habe mit dem Diplom eine staatlich anerkannte Berufsausbildung zur Bühnentänzerin abgeschlossen. Das spätere Studium der Psychologie stelle keine Weiterbildung dar, die im Zusammenhang mit der ersten Ausbildung stehe. Die Tochter habe bei der Aufnahme ihrer Tanzausbildung auch keinen weiteren Besuch der allgemeinbildenden Schule mit anschließendem Studium angestrebt. Es sei zudem nicht zu erkennen, dass die Ausbildung zur Bühnentänzerin den damaligen Neigungen und Fähigkeiten und der Begabung der Tochter nicht entsprochen habe. Bereits seit ihrem fünften Lebensjahr betrieb die Tochter das Hobby Ballett. Im Grundschulalter habe sie Ballettunterricht gehabt. Die Aufnahmeprüfung an der staatlichen Hochschule für Musik und darstellende Kunst habe sie bestanden und eine einjährige Vorbereitungszeit an der Akademie des Tanzes absolviert. Im Anschluss daran habe sie an einem erneuten Auswahlverfahren an der Hochschule mit Erfolg teilgenommen und sei zum Studiengang Tanz zugelassen worden. Bei diesem Werdegang seien die Neigungen und Fähigkeiten der Tochter, bezogen auf den Zeitpunkt des Ausbildungsbeginns, nicht falsch eingeschätzt worden.

Dass sie später keine Anstellung als Tänzerin gefunden habe, beruhe auf einer verschlechterten Arbeitsmarktsituation. Ein derartiges Risiko der Nichtbeschäftigung ihres Kindes nach Abschluss der geschuldeten Erstausbildung, das sich im vorliegenden Fall verwirklicht habe, hätten unterhaltsverpflichtete Eltern grundsätzlich nicht zu tragen.

Den Eltern fällt nach Auffassung des OLG Hamm das allgemeine Arbeitsplatzrisiko nicht zur Last. Vielmehr müsse ein Volljähriger, der nach Abschluss seiner Ausbildung arbeitslos sei, primär selbst für seinen Unterhalt sorgen und jede Arbeitsstelle annehmen, auch außerhalb des erlernten Berufs. Das gelte auch dann, wenn im erlernten Beruf tatsächlich keine Verdienstmöglichkeit mehr bestünde.

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