Geschäftsführer und Praktikanten sind Arbeitnehmer im Sinne der Massenentlassungsrichtlinie

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Für die Frage, ob in einem Betrieb bei Kündigungen der Schwellenwert für eine anzeigepflichtige Massenentlassung entsprechend § 17 KSchG überschritten wird, können auch Geschäftsführer und Praktikanten zu berücksichtigen sein. Dabei ist es unerheblich, ob diese nach nationalem Recht als Arbeitnehmer gelten, da der Arbeitnehmerbegriff innerhalb der Unionsrechtsordnung autonom und einheitlich ausgelegt werden muss. Dies hat der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 09.07.2015 (Rechtssache C 229/14) ausdrücklich klargestellt.

In dem entschiedenen Fall war der Kläger seit 2011 als Techniker für die Beklagte GmbH beschäftigt, die zusammen mit ihm mindestens 19 Arbeitnehmer beschäftigte. Zum 15.2.2013 kündigte die Beklagte sämtliche Arbeitsverhältnisse betriebsbedingt wegen Einstellung des Geschäftsbetriebs. Der Kläger meint, dies sei wegen unterbliebener Massenentlassungsan-zeige unwirksam. Der Schwellenwert des § 17 Abs. 1 Nr. 1 KSchG von 20 Arbeitnehmern würde überschritten, weil insoweit auch der angestellte Geschäftsführer L. der Beklagten und die Praktikantin S. (Umschülerin zur Bürokauffrau) zu berücksichtigen seien.

Das Arbeitsgericht Verden setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH die Fragen zur Vorabentscheidung vor, ob Geschäftsführer und Praktikanten Arbeitnehmer im Sinne der Massenentlassungsrichtlinie sind. Der EuGH hat dies ausdrücklich bejaht.

Nach der Rechtsprechung des EuGH ist der Begriff des „Arbeitnehmers“ anhand objektiver Kriterien zu definieren. Maßgeblich ist, ob eine Person während einer bestimmten Zeit für eine andere nach deren Weisung Leistungen erbringt, für die sie als Gegenleistung eine Vergütung erhält.

Danach können Geschäftsführer Arbeitnehmer im Sinne des Richtlinie sein, sofern ein Un-terordnungsverhältnis besteht, der Geschäftsführer jederzeit gegen seinen Willen abberufen werden kann, er bei der Ausübung seiner Tätigkeit der Weisung und Aufsicht des Organs und weiteren Vorgaben und Beschränkungen unterliegt und er keine Anteile an der Gesellschaft besitzt.

Auch Praktikanten sind Arbeitnehmer im Sinne dieser Richtlinie, da der zugrunde liegende Arbeitnehmerbegriff zum Schutz vor Massenentlassungen weit auszulegen ist.

Die Entscheidung des EuGH hat zur Folge, dass die ausgesprochene arbeitgeberseitige Kün-digung wegen Verstoß gegen § 17 KSchG für unwirksam erklärt worden ist, da der Arbeitge-ber aufgrund des Überschreitens des Schwellenwerts von 20 Arbeitnehmern im Sinne der Massenentlassungsrichtlinie vor Ausspruch der Kündigung eine Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit hätte durchführen müssen.

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